Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

 

Jedem Arbeitnehmer steht nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in jedem Kalenderjahr ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zu. Diese Vorschrift ist unabdingbar, dies entschieden die Richter des Bundesarbeitsgerichts in ihrem Urteil vom 6.5.2014. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG bindet den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit oder Wehrdienst vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.

 

Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin war bei einer Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1.1.2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.9.2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Klinik die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011.

In ihrer Begründung führten die Richter aus, dass der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen stand. Er berechtigte den Arbeitgeber auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

 

 

Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

 

Gemäß dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz kann der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber während der Elternzeit eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung beantragen. Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gelten folgende Voraussetzungen:

  • Der Arbeitgeber beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer,

  • das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen besteht ohne Unterbrechung länger als 6 Monate,

  • die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens 2 Monate auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden,

  • dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen und

  • der Anspruch wurde dem Arbeitgeber 7 Wochen vor Beginn der Tätigkeit schriftlich mitgeteilt.

Über den Antrag sollen sich die Arbeitsvertragsparteien dann innerhalb von 4 Wochen einigen. Ist eine einvernehmliche Regelung nicht möglich, kann der Arbeitnehmer während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen.

 

In einem Fall aus der Praxis war eine Arbeitnehmerin seit 2006 in Vollzeit beschäftigt. Sie brachte am 5.6.2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von 2 Jahren bis zum 4.6.2010 Elternzeit in Anspruch. Am 3.12.2008 vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1.6.2009 bis zum Ende der Elternzeit am 4.6.2010 auf wöchentlich 20 Stunden.

Mit Schreiben vom 7.4.2010 nahm die Arbeitnehmerin ab dem 5.6.2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, da die Arbeitszeit bereits zweimal verringert wurde.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts entschieden jedoch, dass einvernehmliche Elternteilzeitregelungen nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen sind.

 

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen

 

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, sind wirksam.

 

In einem vom Bundesarbeitsgericht am 5.3.2013 entschiedenen Fall war ein im Jahr 1942 geborener Arbeitnehmer seit 1980 in einem Unternehmen beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten "Einstellungsmitteilung" war das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine beim Unternehmen bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 1976 sah die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres vor. Dieses vollendete der Arbeitnehmer im August 2007. Der Arbeitnehmer klagte nun gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

Die Bundesrichter kamen zu dem Entschluss, dass Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber in einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln können. Die Grundsätze von Recht und Billigkeit sind gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist auch keine die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Abmachung.
 

Arbeitszeitgesetz gilt auch Pflegepersonal in Privathaushalten

 

Auch für ausländische Pflegekräfte, die in Privathaushalten arbeiten, gilt das Arbeitszeitgesetz (AZG). Demnach gelten auch für im Rahmen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) entsandtes Pflegepersonal die im AZG vorgesehenen Höchstarbeitszeiten, Mindestruhepausen und Mindestruhezeiten. Insbesondere dürfe die werktägliche Arbeitszeit im Durchschnitt 8 Stunden nicht überschreiten. Die Ruhezeit zwischen dem Ende einer Arbeitszeit und dem Beginn der darauffolgenden müsse mindestens 11 ununterbrochene Stunden betragen.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung ist angehalten, die Einhaltung der zwingenden Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche auf Grundlage des AEntG zu prüfen. Zwar trifft es zu, dass die Beamten nur mit Einverständnis des Wohnungsinhabers Prüfungen in dessen Wohnung durchführen können. Wenn jedoch ausreichende Verdachtsmomente für einen Straftatbestand oder eine Ordnungswidrigkeit vorlägen, könne die Prüfung auch ohne dessen Einverständnis erfolgen.

 

Mehrarbeit- Vergütungserwartung

 

Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet das Bürgerliche Gesetzbuch den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht.

In einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall war ein Arbeitnehmer als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800 € bei einer Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblicher Erfordernis sollte der Lagerleiter ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt er Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.

Die BAG-Richter kamen zu dem Entschluss, dass der Arbeitgeber dem Lagerleiter die Überstundenvergütung schuldet. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz unwirksam.

Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

 

Kein Unfallversicherungsschutz eines Arbeitnehmers bei Trunkenheitsfahrt

 

Nach dem "Siebten Sozialgesetzbuch" ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeiten erleidet.

Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Versicherte Tätigkeiten sind u. a. auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dieser Versicherungsschutz auf dem Weg von der Arbeit zum Wohnort entfällt jedoch, wenn allein wesentlich für das Unfallereignis die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten ist.

Sofern sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag und nicht aus anderen Umständen ergibt, erstreckt sie sich nur auf Gefahren und Umstände, die ihren Ursprung in der betrieblichen Sphäre haben.

Auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht aus Ingerenz ist denkbar, wenn der Arbeitgeber entweder selbst Alkohol zur Verfügung stellt oder Alkoholkonsum am Arbeitsplatz duldet und generell keine Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen von Pkw im verkehrsuntüchtigen Zustand trifft.

Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung des Versicherten durch Alkoholkonsum stellt sich ein Unterlassen des Arbeitgebers aber als eine untergeordnete, nicht wesentliche Mitverursachung zumindest in Fällen des bloßen Alkoholmissbrauchs dar. Bei erkennbarer Alkoholabhängigkeit kann dies anders zu werten sein.

 

 

 

 

 

 

Stärkere Verbraucherrechte durch Änderungen im Telekommunikationsgesetz

 

Das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen (TKG) wurde von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Mit der Gesetzesnovelle werden die Bedingungen für den Aus- und Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen verbessert und die Bestimmungen zum Daten- und Verbraucherschutz modernisiert. Die Gesetzesänderung trat Anfang März 2012 in Kraft.

Neben dem Breitbandausbau bildet der Verbraucherschutz einen weiteren wichtigen Baustein der TKG-Novelle. Die beschlossenen Maßnahmen im Einzelnen sind:

  • Kostenpflichtige Warteschleifen dürfen bei Sonderrufnummern nicht mehr eingesetzt werden.
  • Die Bezahlfunktion von Handys sowie der Zugang zu Mehrwertdiensterufnummern kann gesperrt werden. Damit wird verhindert, dass den Verbrauchern über die Telefonrechnung gegen ihren Willen Geldbeträge abgebucht werden.
  • Beim Anbieterwechsel dürfen Versorgungsunterbrechungen maximal einen Kalendertag andauern.
  • Mobilfunkkunden haben künftig das Recht, dass ihre Mobilfunkrufnummer unabhängig von der Vertragslaufzeit mit dem bisherigen Anbieter auf einen neuen Anbieter übertragen wird.
  • Bei der Auswahl eines alternativen Netzbetreibers (sogenanntes Call by Call) muss künftig der aktuelle Preis vor Gesprächsbeginn angesagt werden.
  • Bei den Datenschutzbestimmungen im Telekommunikationsrecht werden zusätzliche Informations- und Transparenzverpflichtungen mit dem Ziel eingeführt, sensible Daten besser zu schützen und damit die Rechtsposition des Verbrauchers zu stärken. Hierzu gehört u. a. die Verpflichtung, bei jeder Ortung des Mobilfunkendgerätes dem Nutzer anzuzeigen, dass er geortet wird.

Weitere Informationen erhalten Sie auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie www.bmwi.de.

 

Abofallen im Internet

 

Der Bundestag hat in seiner Plenumssitzung am 2.3.2012 beschlossen, dass in Zukunft bei jedem Bestellvorgang eine Schaltfläche mit einem klaren Hinweis auf die Kosten einer Bestellung eingeblendet werden muss.

Der letzte Klick für eine Internetbestellung muss dann unmissverständlich und gut lesbar auf die Zahlungspflicht hinweisen. Außerdem müssen dem Verbraucher unmittelbar vor dem Vertragsschluss alle wesentlichen Vertragsinformationen klar und verständlich vor Augen geführt werden. Versteckte Hinweise an einer anderen Stelle des Internetauftritts reichen nicht. Erfüllt der Unternehmer die neuen Pflichten nicht, kommt kein Vertrag zustande. Der Verbraucher muss dann nicht zahlen. Dies gilt immer, wenn Waren oder Dienstleistungen online bestellt werden, ob mit dem heimischen Computer, Smartphone oder Tablet-PC.

Ferner soll mit dem neuen Gesetz auch das Widerspruchsrecht der Verbraucher gestärkt werden. Fühlt sich demnach ein Kunde betrogen und verweigert daher die Zahlung, muss künftig der Anbieter nachweisen, dass der Kunde per Web die Zahlungsbereitschaft ausdrücklich erklärt hat.

Das Gesetz wird nun dem Bundesrat zugeleitet und voraussichtlich im Sommer 2012 in Kraft treten.

 

 

Kundenparkplätze müssen nicht völlig schnee- und eisfrei sein

 

Öffentliche Parkplätze müssen nicht völlig schnee- und eisfrei gehalten werden. Vielmehr ist es auch auf belebten Abstellplätzen hinzunehmen, dass die Fahrzeugbenutzer kleine, gut sichtbare Eisflächen umgehen oder übersteigen müssen, ehe sie den rutschfreien Bereich erreichen. Wenn ein Kunde in einer solchen Situation dennoch stürzt, kann er weder die Kommune noch ein Unternehmen (hier: Sparkasse) haftbar machen.

In einem vom Oberlandesgericht Koblenz entschiedenen Fall stellte ein Autofahrer sein Fahrzeug auf dem Kundenparkplatz ab. Als er es verlassen hatte und auf dem Weg zur Sparkasse war, glitt er auf einer ca. 50 cm großen, gut sichtbaren Eisfläche aus, stürzte und zog sich eine folgenreiche Sprunggelenksverletzung zu. Der Autofahrer lastet der Bank an, den Parkplatz nicht genug geräumt zu haben und verlangte u. a. Schadensersatz in Höhe von 2.640 € sowie Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 €.

Die Richter lehnen dies ab, führten aber in ihrer Begründung aus, dass grundsätzlich die Verpflichtung bestehe, einen Kundenparkplatz so von Schnee und Eis zu befreien, dass er möglichst gefahrlos benutzt werden könne. Der Parkplatz sei vorliegend aber großflächig eisfrei gewesen. Es habe nur vereinzelt vereiste Stellen gegeben, denen der Autofahrer hätte ausweichen können. Daher habe die Bank keinen Pflichtverstoß begangen, der Fahrer habe seinen Sturz selbst zu verantworten.

Die Sparkasse habe ihrer Versicherungspflicht genügt, da der Platz großflächig geräumt gewesen sei. Die kleine Eisfläche habe lediglich eine Ausdehnung von etwa 50 cm gehabt und sei vom Autofahrer auch erkannt worden. Er hätte die Stelle daher problemlos umgehen oder überschreiten können, um sicheren Fußes in das Gebäude zu gelangen.

Weiterhin stellte das Gericht klar, dass die Sparkasse als Wirtschaftsunternehmen keine weitergehenden Verkehrssicherungspflichten als die Kommune habe. In beiden Fällen gehe es um einen Parkplatz, der einer unbestimmten Vielzahl von Benutzern eröffnet sei. Deshalb unterlägen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht in diesen Fällen jeweils den gleichen Regeln.

 

Verbotswidrige Nutzung eines Handys als Navigationshilfe

 

Ein Handy darf beim Autofahren auch dann nicht aufgenommen oder festgehalten werden, wenn es nur als Navigationshilfe benutzt wird. Das haben die Richter des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 18.2.2013 entschieden.

 

Anscheinsbeweis und 1-%-Regelung

 

Die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Diese Bewertungsregel kommt nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist. I. d. R. geht die Finanzverwaltung aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon aus, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.

Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Die Steuerpflichtigen müssen also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Kfz nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 4.12.2012, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt.

Danach ist der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung betrieblicher Pkw spricht, dann entkräftet, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind.




 

Nachbesserungsverlangen beim Kauf eines Neuwagens

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 6.2.2013 in einer Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob sich der Käufer eines Neuwagens noch auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen kann, wenn er die Abnahme des an Lackierung und Karosserie beschädigten Fahrzeugs nicht generell abgelehnt, sondern zunächst eine Beseitigung der Schäden verlangt hat und diese anschließend nur unzureichend gelungen ist.

 

Im entschiedenen Fall bestellte ein Käufer bei einem Autohändler einen Neuwagen zum Preis von 39.000 €. Bei Auslieferung verweigerte er die Annahme des Fahrzeugs wegen Schäden an der Lackierung und der Karosserie und verlangte Nachbesserung. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten, das die daraufhin vorgenommene Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtet hatte, lehnte er eine Übernahme des Fahrzeugs erneut ab und trat vom Vertrag zurück. Der Käufer nahm den Händler auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung, Freistellung von den zur Finanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz von Sachverständigenkosten in Anspruch.

Der BGH stellte in dem Urteil fest, dass der Käufer eines Neuwagens grundsätzlich erwarten kann, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht. Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs.

Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.

 

Rentenversicherungspflicht eines selbstständigen Versicherungsvermittlers

 

Nach dem "Sechsten Sozialgesetzbuch" sind selbstständig tätige Personen versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Dabei ist es unerheblich, ob der Vermittler "in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seines Ortes und seiner Arbeitszeit" frei war.

Beziehen sich 5/6 der Betriebseinnahmen auf die Tätigkeit für einen Auftraggeber, so wird davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Versicherungsvermittlers im Wesentlichen für diesen Arbeitgeber ausgeübt wird und damit rentenversicherungspflichtig ist. Nur wenn ein Arbeitnehmer bei dem Versicherungsvermittler versicherungspflichtig beschäftigt ist, entfällt die Versicherungspflicht des Vermittlers.

 

Steueranmeldungen rechtzeitig abgeben

 

Härtere Zeiten drohen Unternehmern, die ihre regelmäßigen Steueranmeldungen, etwa bei der Umsatz- oder Lohnsteuer, nicht rechtzeitig abgeben. Nach einer neuen Verwaltungsrichtlinie für die Finanzämter sollen künftig solche verspäteten Erklärungen sogleich an die Strafsachenstelle zugeleitet werden.

Damit droht für viele Steuerpflichtige eine erhebliche Eskalation des Steuerverfahrens. Zwar stellte auch bisher eine verzögerte Abgabe einer Steuererklärung nach allgemeiner Meinung eine "Steuerhinterziehung auf Zeit" dar. Dies gilt unverändert aber nur, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich die Zahlung durch Abgabe der Steuererklärung nach Ablauf der Frist verzögert. In vielen Fällen beruht aber die Verspätung auf anderen Gründen, wie Krankheit, fehlenden Unterlagen oder schlichtweg Vergesslichkeit. In diesem Sinne verzichtete eine frühere Version der genannten Anweisung ausdrücklich auf die automatische Einschaltung der Straf- und Bußgeldstelle, sofern Steueranmeldungen im Finanzamt nicht rechtzeitig eingingen.

 

Fahrten zwischen Wohung und Arbeitsstätte: Längerer Weg kann günstiger sein

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) konkretisiert mit zwei Urteilen vom 16.11.2011, unter welchen Voraussetzungen die Entfernungspauschale für einen längeren als den kürzesten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werden kann. Grundsätzlich kann die Entfernungspauschale nur für die kürzeste Entfernung beansprucht werden. Etwas anderes gilt aber, wenn eine andere Verbindung "offensichtlich verkehrsgünstiger" ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird.

In seinen Entscheidungen stellt der BFH nunmehr fest, dass eine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten nicht stets erforderlich ist. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. Ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung kann auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten ist.

Anmerkung: Der BFH stellt zudem klar, dass nur die tatsächlich benutzte Straßenverbindung in Betracht kommt. Eine bloß mögliche, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzte Straßenverbindung kann der Berechnung der Entfernungspauschale nicht zugrunde gelegt werden.

 

Rückwirkende Steuerpflicht von Erstattungszinsen ist zweifelhaft

 

Nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.12.2011 ist es ernstlich zweifelhaft, ob 2008 zugeflossene Erstattungszinsen zur Einkommensteuer der Jahre 2001 bis 2003 als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Steuer unterliegen. Die Zweifel bestehen insbesondere wegen der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift.

Die Frage ist in Rechtsprechung und Schrifttum heftig umstritten. Gegen die durch das Jahressteuergesetz 2010 eingefügte Neuregelung, die in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden ist, werden sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken, z. B. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, erhoben. Demgegenüber wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und die Rechtmäßigkeit von deren Erstreckung auf noch "offene Altfälle" von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht.

Anmerkung: Der BFH hat über diese Fragen noch nicht entschieden. Die Entscheidung vom 15.6.2010 trifft hierzu keine Aussage und die zu der hier aufgeworfenen Frage beim BFH anhängigen Verfahren sind noch offen.

 

Gesetzgeber contra Bundesfinanzhof: erneut strenge Regeln für den Nachweis von Krankheitskosten

 

Das Finanzgericht Münster (FG) hat in seinem Urteil vom 18.1.2012 entschieden, dass gemäß der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 geschaffenen Neuregelungen erneut erhöhte Anforderungen an den Nachweis von Krankheitskosten gelten.

In dem vom FG entschiedenen Streitfall ging es um Kosten für die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie). Der Bundesfinanzhof hatte seine langjährige Rechtsprechung zum Nachweis von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation daher nur schwer zu beurteilen ist, aufgegeben. Er stellte klar, dass ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nicht erforderlich sei.

Dieser Rechtsprechungsänderung ist der Gesetzgeber im Steuervereinfachungsgesetz 2011 entgegengetreten. Nunmehr verlangt er formalisierte Nachweise, und zwar in allen noch offenen Fällen.

Nach Auffassung des FG gelte die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingefügte Änderung im Einkommensteuergesetz und die hierzu ergangene Verwaltungsregelung. Darin sei nunmehr unter anderem ausdrücklich festgelegt, dass im Fall einer medizinisch angezeigten auswärtigen Unterbringung eines an Legasthenie leidenden Kindes der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erfolgen habe.

Die gesetzliche Neuregelung ist auch im Streitfall zu beachten, denn sie gilt in allen Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

 

Krankheitskosten bei Wahrung eines Beitragsrückerstattungsanspruchs nicht abzugsfähig

 

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) zu der Frage Stellung genommen, ob Krankheitskosten bei der Einkommensteuer-Veranlagung steuermindernd berücksichtigt werden können, wenn die betreffenden Aufwendungen bei der zuständigen Krankenversicherung wegen eines Anspruchs auf Beitragsrückerstattung nicht geltend gemacht werden.

Im Streitfall wurden in der Einkommensteuer-Erklärung Krankheitskosten in Höhe von ca. 5.000 € bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht. Die Frage nach zu erwartenden Versicherungsleistungen wurde mit "0" beantwortet.

Das FG führte u. a. aus, Aufwendungen könnten nur dann außergewöhnliche Belastungen darstellen, wenn und soweit der Steuerpflichtige hierdurch tatsächlich endgültig wirtschaftlich belastet sei. Eine solche endgültige Belastung tritt jedoch dann nicht ein, wenn dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang Erstattungszahlungen zufließen würden. Flössen dem Steuerpflichtigen zwar keine Erstattungsleistungen zu, hätte er aber einen Anspruch hierauf gehabt und verzichte er auf eine Erstattung, um - wie im entschiedenen Fall - eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nehme dies den Aufwendungen grundsätzlich den Charakter der - für eine außergewöhnliche Belastung notwendigen - Zwangsläufigkeit. Könnten sich Steuerpflichtige durch Rückgriff auf ihre Versicherung ganz oder teilweise schadlos halten, ist eine Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt.

 

Scheinselbstständigkeit spielt bei Betriebsprüfungen eine große Rolle

 

Das Phänomen der Scheinselbstständigkeit spielt im Rahmen der Prüfungen und Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung weiterhin eine nennenswerte Rolle. Scheinselbstständigkeit beschreibt "die Tätigkeit einer Person, die zwar formal selbstständig ist, tatsächlich aber vom vermeintlichen Auftraggeber wie ein Arbeitnehmer beschäftigt wird". Sie unterfällt als Deliktform dem Strafgesetzbuch (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt).

Scheinselbstständigkeit ist vornehmlich in den Branchen Baugewerbe (einschließlich Baunebengewerbe), Spedition, Transport und Logistik sowie Garten- und Landschaftsbau anzutreffen. Darüber hinaus kommt Scheinselbstständigkeit tendenziell auch in verschiedenen Bereichen des Handwerks sowie in der Branche Sicherheitsdienstleistungen vor. Auch in anderen, nicht explizit genannten Branchen könnten sich - je nach Fallgestaltung - im Rahmen von Prüfungen und Ermittlungen Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit ergeben.

Sofern bei den Beteiligten Zweifel bestehen, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, können sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer den Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status stellen. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund bestimmt dann den Status des Erwerbstätigen nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Die zuständigen Krankenkassen haben seit 2005 zwingend eine Statusfeststellung herbeizuführen, wenn sich aus der Anmeldung eines Beschäftigten ergibt, dass dieser Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ist.

 

Schenkungssteuer bei Grundstücksschenkung an ein Kind bei anschließender Weiterschenkung

 

Hohe Freibeträge bei Angehörigen sind häufig der Grund, eine Durchgangsperson zwischen Schenker und Beschenktem einzusetzen (sog. Kettenschenkung). Dabei gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Wird dem Bedachten der Schenkungsgegenstand nicht unmittelbar von dessen ursprünglichem Inhaber zugewendet, sondern noch ein Dritter zwischengeschaltet, kommt es für die Bestimmung der Person des Zuwendenden darauf an, ob der Dritte über eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des Schenkungsgegenstands verfügte.

Maßgeblich für die Beurteilung sind insoweit die Ausgestaltung der Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie die mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Parteien. Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich damit aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben.

  • Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich eine Zuwendung an den Dritten vor.
  • Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne Veranlassung des Zuwendenden und ohne rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus.

Anmerkung: Grundsätzlich sollte vor jeder Schenkung in größerem Umfang von uns steuerlicher Rat eingeholt werden, um den vorhandenen steuerlichen Feinheiten Rechnung zu tragen und somit hoher Schenkungsteuer vorzubeugen.

 






 

 

Abschleppkosten bei unberechtigt abgestelltem Fahrzeug

 

Eine Autofahrerin stellte - trotz Hinweisschildes, dass unberechtigt parkende Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt werden - ihren Pkw unbefugt auf dem Kundenparkplatz eines Supermarktes ab. Aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem Betreiber des Supermarktes, der u. a. die Abtretung von Ansprüchen gegen unberechtigte Nutzer enthält, schleppte ein Unternehmen das Fahrzeug ab und verbrachte es auf einen öffentlichen Parkgrund.

Da die Autofahrerin nicht bereit war, den Rechnungsbetrag über netto 219,50 € ("Grundgebühr mit Versetzung") zu begleichen, gab das Abschleppunternehmen ihr den Standort des Fahrzeugs nicht bekannt. Nachdem das Unternehmen der Falschparkerin den Standort des Fahrzeuges mitgeteilt hatte, verlangte diese Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.758 €.

Die Richter des Bundesgerichtshofs verneinten den Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sich das Abschleppunternehmen mit der Herausgabe des Fahrzeugs bzw. der Bekanntgabe seines Standortes nicht in Verzug befunden habe.

Es habe zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ihr abgetretenen Schadensersatzforderung der Supermarktbetreiberin ausgeübt. Die mit dieser vereinbarten Abschleppkosten in Höhe von netto 219,50 € seien angemessen. Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen nicht nur die Kosten des reinen Abschleppens, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstehen.

Nicht erstattungsfähig sind dagegen die Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung.

 

 

Umstellung der Abrechnungen durch Vermieter

 

Haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, sind die Betriebskosten vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen. Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, sind nach einem Maßstab umzulegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt.

Haben die Vertragsparteien etwas anderes vereinbart, kann der Vermieter durch Erklärung in Textform bestimmen, dass die Betriebskosten zukünftig abweichend von der getroffenen Vereinbarung ganz oder teilweise nach einem Maßstab umgelegt werden dürfen, der dem erfassten unterschiedlichen Verbrauch oder der erfassten unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Die Erklärung ist nur vor Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Sind die Kosten bislang in der Miete enthalten, so ist diese entsprechend herabzusetzen.

In ihrem Urteil vom 21.9.2011 entschied der Bundesgerichtshof, dass diese Regelung auch auf Altmietverträge anzuwenden ist, die vor dem 1.9.2001 abgeschlossen wurden

 

 

Abrechnung der Heizkosten nach tatsächlichem Verbrauch

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 1.2.2012 eine Entscheidung zur Frage getroffen, ob eine Heizkostenabrechnung nach dem sog. Abflussprinzip den Anforderungen der Heizkostenverordnung (HeizkostenV) entspricht.

In dem vom BGH entschiedenen Fall verlangte ein Vermieter von seinen Mietern die Nachzahlung von Heizkosten für die Jahre 2007 und 2008. Bei den dieser Forderung zugrundeliegenden Heizkostenabrechnungen wurden nach dem sogenannten Abflussprinzip lediglich die im Abrechnungszeitraum geleisteten Zahlungen der Vermieter an das Energieversorgungsunternehmen als entstandene Kosten berücksichtigt. Vermieter und Mieter stritten sich um die Frage, ob die Abrechnung den Anforderungen der HeizkostenV entspricht.

Die Richter des BGH entschieden, dass eine Heizkostenabrechnung nach dem Abflussprinzip den Vorgaben der HeizkostenV nicht entspricht. Danach sind die in die Abrechnung einzustellenden Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage insbesondere "die Kosten der verbrauchten Brennstoffe". Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass nur die Kosten des im Abrechnungszeitraum tatsächlich verbrauchten Brennstoffs abgerechnet werden können (sogenanntes Leistungsprinzip). Dem wird eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip nicht gerecht. Da bei diesem Abrechnungssystem für die Vorauszahlungen nicht der aktuelle Verbrauch, sondern der des Vorjahres als Berechnungsgrundlage hergenommen wird.

Der BGH hat weiter entschieden, dass ein derartiger Mangel der Abrechnung nicht durch eine Kürzung der Heizkostenforderung entsprechend der Vorschrift in der HeizkostenV ausgeglichen

 

 

Fristlose Kündigung auch noch während der Freistellung möglich

 

Im Falle einer schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten kommt auch bei einem von der Arbeitspflicht bis zum vereinbarten Beendigungstermin freigestellten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in seinem Urteil v. 29.8.2011 entschieden.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer war seit Oktober 2008 bei einer Bank als Firmenkundenbetreuer tätig, seit April 2009 mit Prokura. Am 16.6.2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 und die Freistellung des Prokuristen ab 1.7.2010 bis 31.12.2010 bei Fortzahlung der Bezüge.

Am 29. und 30.6.2010 übermittelte der Prokurist insgesamt 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1660 Dateianhängen an sein privates E-Mail-Postfach. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen. Darunter u. a. Daten der von ihm betreuten Kunden. Hiervon erfuhr die Bank am 7.7.2010 durch ihre Datenschutzkommission. Daraufhin kündigte sie am 20.7.2010 das Arbeitsverhältnis mit dem Prokuristen fristlos.

Das Hessische LAG kam zu dem Entschluss, dass der Prokurist eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen habe, die die fristlose Kündigung auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogenen Arbeitsverhältnis rechtfertige. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Hier stehe die fehlende Wiederholungsgefahr aber nicht entgegen. Der Prokurist habe das in ihn gesetzte Vertrauen seines Arbeitgebers durch die Mitnahme geheim zu haltender Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihm das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar seien. Das Fehlverhalten habe ein nahezu gleich großes Gewicht wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.

 

 

Krankheitsbedingte Kündigung

 

Der Begriff der krankheitsbedingten Kündigung erfasst alle Fallgestaltungen, in denen eine arbeitgeberseitige Kündigung durch eine Erkrankung des Arbeitnehmers motiviert worden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Erkrankung des Arbeitnehmers allein als solche eine Kündigung niemals begründen kann, d. h. nur mit dem Hinweis auf eine aktuelle oder frühere Krankheit kann der Arbeitgeber eine Kündigung sozial nicht rechtfertigen. Die Erkrankung des Arbeitnehmers spielt lediglich insoweit eine Rolle, als die Ursache der Betriebsstörung die Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes ist und ggf. Daten für die negative Prognose für die Zukunft liefert. Krankheit ist andererseits auch kein Kündigungshindernis.

Eine Kündigung ist deshalb weder allein deswegen unwirksam, weil sie während einer Erkrankung ausgesprochen worden ist, noch hindert eine Erkrankung des Arbeitnehmers den Ablauf der Kündigungsfrist.

Krankheitsbedingte Fehlzeiten können deshalb eine Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers dann rechtfertigen, wenn eine negative Gesundheitsprognose zu stellen ist und aufgrund der zu erwartenden Fehlzeiten des Arbeitnehmers in der Zukunft von unzumutbaren betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastungen für den Arbeitgeber auszugehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine krankheitsbedingte Kündigung zusammengefasst im Rahmen einer Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn "

  • aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Dauer bzw. bei häufigen Kurzerkrankungen auch weiterhin ("Wiederholungsgefahr") mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss (negative Gesundheitsprognose); "

 

  • die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen (erhebliche betriebliche Auswirkungen haben) und sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt.

Bestreitet der Arbeitnehmer durch substantiiertes Tatsachenvorbringen die Indizwirkung der Fehlzeiten in der Vergangenheit und entbindet er die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht, so ist eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber darlegt und beweist, dass bei prognostischer Beurteilung auch in Zukunft mit erheblichen weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist, die zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen.

Fehlzeiten, die die Dauer von 6 Wochen pro Kalenderjahr nicht übersteigen, sind dabei - ausgehend von den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes - noch nicht als kündigungsrelevant anzusehen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.
Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

 

 



Baurecht: Wie reklamiere ich Baumängel?

 

Insbesondere am Neubau kommen in der Praxis Mängel sehr häufig vor. Der vorausschauende Bauherr sollte daher besonders gut über seine Gewährleistungsrechte Bescheid wissen. Aber gerade bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen bei Bauverträgen werden oft viele, teure Fehler gemacht. Dies fängt an bei der Unterzeichnung von für den Bauherrn nachteiliger Bauverträge und reicht bis zu der Nichteinhaltung formaler Voraussetzungen, die das Gesetz bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen vorschreibt. So können oft die Zustellung wichtiger Schreiben vom Bauherrn beim Bauunternehmer nicht nachgewiesen werden oder es sind vom Bauherrn die vom Gesetz geforderten Fristen nicht gesetzt worden. Außerdem sollte sich der Bauherr vorher durch einen fachkundigen Rechtsanwalt genau beraten lassen, welche Vertragsform für ihn die günstigere ist. Zwischen dem Bauvertrag nach BGB und VOB-Bauvertrag gibt es zum teil gravierende rechtliche Unterschiede, die in dem einen Fall von Vorteil sein können, in einem anderen Fall aber von Nachteil.

Hierauf gehen wir dann in unserem nächsten Beitrag ein.

 

Da in der Praxis speziell beim Eigenheimbau der BGB-Vertrag überwiegend Verwendung findet, sollte der Bauherr hier auf folgende Regelungen achten.

 

1. Die Abnahme

 

Grundvoraussetzung für jede Gewährleistung ist, daß das Bauwerk vom Bauherrn abgenommen wurde. Denn bis zur Abnahme hat der Bauherr noch den vollen vertraglichen Erfüllungsanspruch. Das heißt, daß bis zu diesem Zeitpunkt vom Grundsatz her der volle Anspruch auf Neuherstellung besteht, falls gravierende Mängel vorhanden sind. Dieser Anspruch unterliegt auch nicht der kürzeren Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche und ist auch im Zweifel rechtlich einfacher durchsetzbar.

 

2. Die Nacherfüllung

 

Das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) kennt im Werkvertragsrecht, dem der Bauvertrag unterliegt, mehrere Gewährleistungsansprüche unterschiedlichen Inhalts. Zunächst ist hier der Nacherfüllungsanspruch des Bauherrn zu nennen. Wenn sich nach der Abnahme Baumängel zeigen, kann der Bauherr vom Bauunternehmer die Beseitigung dieser Mängel verlangen. Der Bauunternehmer muß diese Mängel ohne zusätzliche Kosten beseitigen, daß heißt die zusätzlichen Kosten für die Mängelbeseitigung in Form von Lohn, Material und Transport sind allein vom Bauunternehmer zu tragen und können dem Bauherrn nicht zusätzlich in Rechnung gestellt werden.

 

3. Selbstvornahme

 

Eine weitere Möglichkeit des Bauherrn ist, dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels zu setzen. Reagiert der Bauunternehmer bis Fristablauf nicht, kann der Bauherr die Mängel selbst beseitigen und Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen, z.B. die Kosten eines anderen Handwerkers dafür. Gerade diese Fristsetzung mit einem konkreten Datum wird in der täglichen Praxis von vielen Bauherrn nicht beachtet, so daß allein aus diesem Grunde viele Ansprüche rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden können. In der praktischen Handhabung empfiehlt es sich auch diese Fristsetzung nachweisbar schriftlich, am besten per Einschreiben mit Rückschein, dem Bauunternehmer mitzuteilen.

 

4. Rücktritt oder Minderung

 

Auch dafür bedarf es einer konkreten Fristsetzung. Erst wenn die gesetzte Frist erfolglos abgelaufen ist, kann der Bauherr zwischen dem Rücktritt (Rückgängigmachung des Bauvertrages) und der Minderung (Herabsetzung der Vergütung) sein Wahlrecht ausüben. Auch hierbei ist zu beachten, daß die gesetzte Frist angemessen sein muß. War die gesetzte Frist zu kurz, wird nach ständiger Rechtsprechung aber eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Hierbei ist dann allerdings zu beachten, daß mit Fristablauf auch der sogenannte Mangelbeseitigungsanspruch des Bauherrn erlischt. Viele Eigenheimbauer bevorzugen der Einfachheit halber oft die Minderung. Zur Berechnung der Höhe wird dann meist unter Einschaltung eines versierten Bausachverständigen festgestellt, inwieweit der Wert der fehlerhaften Bauarbeiten von dem Wert abweicht, den das Bauobjekt bei ordnungsgemäßer Bauleistung gehabt hätte. Diesen Minderungsbetrag kann der Bauherr dann beim Bauunternehmer entweder von der Schlußrechnung in Abzug bringen oder ausgezahlt verlangen.

 

5. Schadensersatz

 

Eine weitere Möglichkeit des Bauherrn ist, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Dieser Schadensersatzanspruch setzt ebenfalls eine angemessene Fristsetzung voraus. Er kann auch neben dem Rücktritt zur Kompensierung eines weitergehenden Schadens geltend gemacht werden.

 

In der Praxis ist der reine Schadensersatzanspruch sehr häufig, weil er von der Rechtsfolge her weiter reicht als die übrigen Gewährleistungsansprüche. Während sich Rücktritt und Minderung allein auf den Ausgleich von Mängeln am Bauwerk beziehen, können über den Schadensersatzanspruch auch weitergehende Schäden, sogenannte Folgeschäden, geltend gemacht werden. Wenn zum Beispiel ein Bauherr wegen gravierender Mängel an seinem Eigenheim dieses nicht zum vertraglich vereinbarten Termin beziehen kann, aber seine Mietwohnung bereits zu diesem Termin gekündigt hat, kann er vorübergehend in einem Hotel Unterkunft beziehen und seine Möbel anderweitig unterstellen. Die dafür entstehenden Kosten kann er dann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vom Bauunternehmer ersetzt verlangen. Der Nachteil ist allerdings, daß der Schadensersatzanspruch an ein Verschulden des Bauunternehmers geknüpft ist. Während die Gewährleistungsrechte Wandlung und Rücktritt verschuldensunabhängig bestehen, muß der Bauherr bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches ein Fehlverhalten des Bauunternehmers (Verschulden) nachweisen. Allein die Tatsache, daß die Arbeiten nicht ordnungsgemäß erbracht wurden, reicht nicht aus.

 

6. Der Nachweis

 

Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung ist dem Bauherrn nur dann anzuraten, wenn ein Verschulden des Bauunternehmers konkret nachweisbar ist. Dieser Verschuldensnachweis ist in der Baurechtspraxis aber oft nicht einfach zu führen. Ohne das Einschalten eines versierten Bausachverständigen ist dies nur selten möglich. Da aber der Bauherr die Beweislast für das Verschulden des Bauunternehmers trägt, bedeutet dies für ihn ein nicht unerhebliches Risiko bei der gerichtlichen oder außergerichtlichen Durchsetzung seines Schadensersatzanspruches. Von daher sollte der Bauherr von Anfang an, in jedem Fall dann, wenn Mängel vorliegen, so schnell wie möglich einen fachkundigen Rechtsanwalt einschalten. Dieser wird die Ansprüche zunächst prüfen und bei Aussicht auf Erfolg geltend machen, wobei sich die Höhe der damit entstehenden Anwaltskosten nach dem Umfang der vorhandenen Schäden richten. Allerdings ist die sogenannte Erstberatungsgebühr des Rechtsanwaltes für Verbraucher nach dem Gesetz auf 190,00 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer begrenzt, so daß sich der Bauherr mit geringem finanziellen Aufwand über seine Rechte fachkundig aufklären lassen kann, was angesichts der oft hohen umfangreichen Bauschäden in jedem Fall zu empfehlen ist.

 

Kündigungsschutz und Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers

- die richtige Vertragsauflösung per goldenem Handschlag

 

 

Die gesetzlichen Anforderungen an die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind hoch. Die einvernehmliche Vertragsauflösung läßt sich dagegen bei richtiger Gestaltung äußert flexibel und Vorteilhaft für beide Seiten vereinbaren. Wenn der Arbeitgeber bei der Kündigung einen Fehler gemacht haben könnte, sollte der Arbeitnehmer sogleich die Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Diese bringt ihm zwar in den meisten Fällen den Arbeitsplatz nicht zurück, verbessert aber jedoch auf jeden Fall die Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgeber im Hinblick auf die Zahlung einer Abfindung. Ob im konkreten Fall hingegen entsprechende Erfolgsaussichten bestehen, sollte der Betroffene in jedem Fall von kompetenter Stelle prüfen lassen. Wenn der Arbeitnehmer nicht in der Gewerkschaft organisiert ist, ist der Besuch bei einem Rechtsanwalt, am besten bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht empfehlenswert. Die Erstberatungkosten sind auch meistens niedriger als man denkt. Die Beratungskosten sind zudem verhandelbar. Viele Arbeitnehmer sind heutzutage sogar rechtsschutzversichert, so daß ohnehin für sie dann keine Anwaltskosten anfallen.

 

Grundsätzlich genießen alle Arbeitnehmer Kündigungsschutz, die dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen. Das sind neben Arbeiter und Angestellten auch leitende Angestellte. Nur auf Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstände einer Aktiengesellschaft oder von eingetragenen Vereinen oder Genossenschaften findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Voraussetzung ist allerdings, daß das Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate bestanden hat und das der Arbeitgeber in seinem Betrieb in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Unterfällt der Arbeitnehmer danach dem Kündigungsschutzgesetz, kann der Arbeitgeber nur in begründeten Fällen Kündigung aussprechen. Ob die Kündigung dann wirksam ist, ist arbeitsgerichtlich überprüfbar.

 

Es gibt danach 3 Arten von zulässigen Kündigungen. Einmal die betriebsbedingte Kündigung, dann die verhaltensbedingte Kündigung und die personenbedingte Kündigung. Mit Abstand am häufigsten nennt der Arbeitgeber jedoch betriebliche Gründe. Dies sind z.B. die Schließung einer Abteilung, eine nachhaltige Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder Rationalisierungsmaßnahmen. Aber selbst wenn diese Gründe objektiv vorliegen, muß der Arbeitgeber unter mehreren vergleichbaren Beschäftigten nach sozialen Kriterien eine Auswahl treffen. So müssen vor allem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Alter des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Dies ist nicht einfach, so daß hier viele Fehler gemacht werden, die dann aus formalen Gründen zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, was dann vor dem Arbeitsgericht festgestellt wird. Bei verhaltensbedingten Kündigungen im Leistungsbereich ist auch darauf hinzuweisen, daß der Kündigung zunächst eine Abmahnung für einen vergleichbaren Vorstoß vorausgehen muß. Ist dies nicht erfolgt, ist die Kündigung im Regelfall unwirksam. Bei einer personenbedingten - besser krankheitsbedingten - Kündigung ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers nicht in einem zumutbaren Zeitraum nachhaltig bessern wird. Des hängt dann vom Einzelfall ab.

 

Kündigungsschutzklage

 

Hier ist unbedingt zu beachten, daß die Klage innerhalb der Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung bei Gericht einzureichen ist. Allein die Versäumung dieser Frist führt dazu, daß eine rechtswidrige Kündigung wirksam wird. Zuständig ist in fast allen Fällen das Arbeitsgericht. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft oder bei Geschäftsführern einer GmbH sind die Zivilgerichte zuständig. In diesem Fall gilt auch nicht die dreiwöchige Klagefrist.

 

Abfindung

 

Ein Rechtsanspruch auf Zahlung einer Abfindung gibt es nach dem Gesetz grundsätzlich nicht. Häufig ist jedoch das sogenannte Abkaufen des Arbeitsplatzes, d. h. der Arbeitgeber hat keinen wirksamen Kündigungsgrund, möchte sich aber dennoch von einem Mitarbeiter trennen. Oft werden Abfindungen auch dann gezahlt, wenn eine Kündigung fehlerhaft oder unwirksam ist, der Arbeitnehmer dann also weiterbeschäftigt werden müßte. Da in solchen Fällen das Arbeitsklima aber oft sehr gestört ist und beide Seiten an einer weiteren Zusammenarbeit nicht mehr interessiert sind, findet eine Trennung per „goldenem Handschlag“ statt.

 

Abfindungshöhe

 

Fest Sätze gibt es hier nicht. Die Höhe ist grundsätzlich Verhandlungssache. Vor den Arbeitsgerichten anerkannt ist jedoch regelmäßig die Faustformel von einem halben Bruttomonatsgehalt pro vollendetes Beschäftigungsjahr. Allerdings ist dies nur ein unverbindlicher Richtwert. Geht es dem Unternehmen schlecht und sind die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stichhaltig, wird auch das Arbeitsgericht nur ¼-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr vorschlagen. Umgekehrt können natürlich auch deutlich höhere Beträge vereinbart werden.

 

Umschulung/Fortbildung

 

Bevor der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht muß er jedoch prüfen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Umschulung oder Fortbildungsmaßnahme vermieden werden könnte. In diesem Fall ist es für den Arbeitnehmer im Prozeß jedoch regelmäßig schwierig darauf zu pochen, denn er muß beweisen, daß nach der Umschulung für ihn ein konkreter Arbeitsplatz frei gewesen wäre. Der Arbeitgeber ist demgegenüber nicht verpflichtet, für den Arbeitnehmer nach der Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme einen Arbeitsplatz zu schaffen.

 

 Freie Mitarbeit/Scheinselbständigkeit

 

Oft bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, die frühere Tätigkeit als freier Mitarbeiter fortzusetzen. Der Vorteil für den Arbeitgeber ist, daß er eine Person mit der Tätigkeit beauftragen kann, die mit den Arbeitsabläufen vertraut ist. Und in finanzieller Hinsicht braucht der Arbeitgeber die Sozialabgaben nicht mehr tragen. Der Arbeitnehmer, der fortan als freier Mitarbeiter tätig ist, erhält demgegenüber allerdings kein Arbeitslosengeld mehr und muß die Sozialabgaben in voller Höhe selbst tragen. Nach der jüngsten Gesetzesänderung greift auch hier genau das Problem der Scheinselbständigkeit ein. Diese liegt vor, wenn auf dem Papier eine selbständige Tätigkeit vereinbart ist, in der Praxis der Arbeitnehmer aber u. a. weisungsgebunden oder nur für einen Auftraggeber arbeitet. Das Gesetz stellt hier eine Reihe von Kriterien auf, die sämtlich zu prüfen sind, auf die an dieser Stelle wegen der Komplexität nicht eingegangen werden kann. Der Übergang zur Scheinselbständigkeit ist auch fließend. Liegt allerdings Scheinselbständigkeit vor, genießt der Arbeitnehmer alle Schutzrechte, der Arbeitgeber muß Lohnsteuer und Sozialabgaben abführen. Wird die Scheinselbständigkeit später erkannt, sind die Abgaben vom Arbeitgeber - alleine in voller Höhe nachzuzahlen. Um sich dieser Gefahr zu entziehen, sollte bei einer derartigen Vertragsgestaltung in jedem Fall fachkundiger Rat eingeholt werden.